Ich selbst kam zur Mindset-Arbeit, weil ich die ständigen Gedankenkreisel so satt hatte. Konfliktträchtige Situationen, egal ob in Familie, Partnerschaft oder im Job, brachten mich immer wieder aus dem Gleichgewicht. Ich konnte genau wahrnehmen, wie ich mich in Gedanken und damit verbundene Gefühle verrannte. Damals hatte ich aber noch kein Werkzeug, mich davon zu befreien. Typische Situationen, in denen ich in alten kraftraubenden Mustern festhing, waren oft verbunden mit der Annahme, nicht gut genug zu sein.

Diese Idee tragen sehr viele Menschen in sich, ohne sich darüber bewusst zu sein. Wenn wir Enttäuschungen und Verletzungen erleben und dem auf den Grund gehen, kommen wir oft bei dieser Überzeugung an. Oft reflektieren wir dieses Muster nicht und suchen die Schuld in unserem Gegenüber. Hier beginnt die Mindset – Arbeit.

Mindset-Arbeit meint, die Befreiung von eigenen, konditionierten Erwartungen, Zuschreibungen und Vorstellungen über die Außenwelt und sich selbst, mit dem Ziel, eine Veränderung im Leben zu bewirken.

Was bedeutet Mindset?

Um Mindset-Arbeit zu erläutern, muss zunächst der Begriff Mindset definiert werden. Mindset ist in der spirituellen Arbeit und in der Coachingszene zu einem Modebegriff geworden und ist seit einiger Zeit in aller Munde. Mir ist daher wichtig, die Bedeutung hier näher zu definieren und zu beleuchten. Eine genaue Übersetzung ins Deutsche besteht nicht. Verwendet werden Mentalität, Haltung oder Einstellung als Synonyme.

Wir nähern uns dem Begriff über mögliche Varianten an.

Mindset setzt sich aus zwei Begriffen zusammen.

Mind = Geist, Verstand, Kopf

Set= aufstellen, einstellen, justieren, arrangieren, einrichten, festlegen.

Schon an der Vielfalt der möglichen Bedeutungen zeigt sich, wie unterschiedlich die Interpretation des Begriffes sein kann. Bei der Recherche zu bestehenden Definitionen wurde ich kaum fündig. Scheinbar wird der Begriff als bekannt vorausgesetzt, was bei der Vielschichtigkeit, die er beinhaltet, zu Missverständnissen führen kann. Oxford Languages definiert Mindset als: „The established set of attitudes held by someone.“ – die etablierte Sammlung von Haltungen / Einstellungen, die jemand hat. (Übersetzung Ulrike Schwarz-Radivojac)

Grundsätzlich ist Mindset ein neutraler Begriff. Jeder Mensch verfügt über ein Mindset, also über eine Geisteshaltung, die seine Sicht auf die Welt beeinflusst. Dr. Joe Dispenza schreibt dazu: „Du denkst täglich sechzig bis siebzigtausend Gedanken. Davon sind neunzig Prozent die gleichen Gedanken, die du bereits am Tag zuvor auch gedacht hast. Diese gleichen Gedanken führen immer zu den gleichen Entscheidungen, und die immer gleichen Entscheidungen erzeugen gleiche Verhaltensweisen, welche wiederum gleiche Erfahrungen erzeugen, und diese führen zu den gleichen Emotionen und
Gefühlen, welche wiederum die gleichen Gedanken hervorrufen.“ (Arbeitsbuch zu Making your Mind matter)

Bildliche Darstellung des ewigen Kreislaufs bei unreflektiertem Mindset

Auswirkungen eines unreflektierten Mindsets

Das Mindset eines Menschen entsteht aus einer Kombination aus Annahmen, Zuschreibungen, Ansichten und Erwartungen. Unser Mindset beginnt sich schon in frühester Kindheit zu bilden. Wir beobachten unser Umfeld, hören Geschichten über die Welt und darüber, wie sie beschaffen ist. Wir erleben, wie Menschen mit anderen Menschen und Tieren umgehen. Wir hören Ansichten darüber, welches Verhalten gut und erstrebenswert ist und welches verpönt. Im Laufe unseres Lebens lernen wir dazu. Wir erleben Situationen, die uns beflügeln und speichern diese und unser Verhalten als erstrebenswert ab. Ebenso erleben wir Dinge, die uns zusetzen und Leid zufügen. Diese Begebenheiten nehmen wir wahr, durch den Filter unserer Erfahrungen. Manchmal bestätigen sich Annahmen, die wir schon hatten, selten werden wir überrascht, weil uns unsere Erwartungen die Sicht auf andere Blickwinkel versperren.

Wenn etwa ein junges Mädchen schon früh von ihren Eltern hört, dass Männer Egoisten sind und sie genau aufpassen muss, um nicht ausgenutzt zu werden, wird sie zunächst Männern mit Misstrauen begegnen. Aufgrund ihrer Annahmen wird sie Begegnungen kritisch bewerten und unlautere Absichten unterstellen. Sie wird sich häufig in ihren Annahmen bestätigt fühlen, da sie den Männern per se negative Attribute zuschreibt. Dies geschieht völlig unbewusst und unreflektiert. Sie nimmt ihre Idee davon, wie Männer sind, als Wahrheit an und hinterfragt sie nicht.

Menschen, die nicht gelernt haben, sich zu reflektieren, ist oft nicht bewusst, dass wir über derart viele Filter im Kopf verfügen. In der Annahme, ihre Wahrnehmung sei die allgemeingültige Wahrheit, bewerten sie, was ihnen alltäglich widerfährt. Daraus entsteht ein Gefühl des ausgelieferten Seins und der Hilflosigkeit. Die Verantwortung für das eigene Drama wird im Außen verortet. Die eigene Verantwortung ist ihnen nicht bewusst.

Unser Mindset bestimmt darüber, wie wir unsere Umwelt wahrnehmen und Begebenheiten interpretieren. Die Formulierung „selbsterfüllende Prophezeiung“ passt gut zum Begriff Mindset. Durch Erwartungen, eingeschliffene Gedankenpfade und verknüpfte Emotionen rufen wir Erlebnisse hervor, oder wir bewerten Erlebnisse entsprechend unserer Erwartungen und fassen sie zu ähnlichen Begebenheiten zusammen. Es entstehen Denkmuster wie: „Immer passiert mir …“ „Nie kann ich …“ Solange uns nicht bewusst ist, dass wir selbst Verantwortung für unsere Bewertungen haben, sind wir nicht handlungsfähig.

Veränderung ist möglich

In der Übersetzung des Wortteils „Set“ liegt eine gewisse Aktivität, die vermuten lässt, das Mindset werde aktiv eingerichtet. Dies geschieht aber tatsächlich bei der Mindsetarbeit.

Wir können Einfluss auf unser Mindset haben, indem wir uns bewusst reflektieren. Beides sind entscheidende Begriffe. Im ersten Schritt muss Bewusstsein dafür entstehen, dass wir die Welt durch unseren ganz eigenen Filter wahrnehmen und dass diese Wahrnehmung nicht „die Wahrheit“ darstellt. Sie stellt zu Beginn unsere Wahrheit dar, die wir in der Mindsetarbeit hinterfragen. Gezielt werden herausfordernde Situationen beleuchtet und die dahinter liegenden Muster werden freigelegt.

In der Reflexion fragen wir danach, ob uns diese Annahmen dienen oder hinderlich sind. Möchten wir sie behalten oder neue, passendere Ideen einführen?

Häufig sind alte Überzeugungen und Ansichten recht hartnäckig und wollen geduldig entfernt und in der Folge ersetzt werden. Besonders bekannt sind Ideen darüber, selbst nicht gut genug zu sein oder sich nicht selbst wertschätzen oder loben zu dürfen. Sind diese entdeckt, beginnt die eigentliche Arbeit. Um bei der Übersetzung zu bleiben: Eine Neujustierung steht an. Joe Dispenza sagt: „If we want to draw an experience to us, we can’t look for it. We have to become it.“ – Wenn du eine Erfahrung anziehen möchtest, kannst du nicht [nur] danach Ausschau halte, du musst zu ihr [der Erfahrung] werden. (Übersetzung Ulrike Schwarz-Radivojac)

Bewusstsein und Selbstverantwortung

Eine Veränderung des Mindsets geschieht nicht, wie so häufig versprochen, mit einem Fingerschnippen. Sie benötigt Zeit, Durchhaltevermögen und nicht zuletzt Verständnis für sich selbst. Immer wieder werden uns unsere alten Geschichten in neuem Gewand präsentiert. „To bring any new experience into our lives, we have to practice being in that new energy; that new mindset – all the time. Wondering why it hasn’t happened yet is the old mindset.“ – Um jedwede neue Erfahrung in unser Leben zu bringen, müssen wir üben in dieser neuen Energie, in diesem neuen Mindset zu sein – immerzu. Sich zu fragen, weshalb es noch nicht geschehen ist [sich noch nicht verändert hat] ist das alte Mindset. (Übersetzung Ulrike Schwarz-Radivojac)

Wenn ein Mensch die Idee hat, er sei nicht gut genug, wird er im Beruf, in seiner Beziehung, beim Einkauf etc. auf Situationen stoßen, die ihn dazu einladen, diese Muster für sich bestätigt zu sehen. Vielleicht bekommt ein Kollege eine „unverdient“ Gehaltserhöhung, die Partnerin verbringt „lieber“ Zeit mit ihrer Freundin und beim Bäcker wird er von der Fachkraft „übersehen“.

In der Mindsetarbeit lernen wir, wahrzunehmen, wenn ein altes Muster sich zeigt und ob wir daraufhin beginnen in altes Drama einzusteigen (hier die kursiv gedruckten Zuschreibungen). Wir machen uns dies bewusst und entscheiden uns genauso bewusst dafür, keine Energie mehr dort hineinzulegen. Wie mit einem kleinen Kind nehmen wir liebevoll wahr, was sich zeigt und führen uns dann auf einem anderen Weg hinaus. „Wenn du also Gedanken, Entscheidungen, Verhaltensweisen und Erfahrungen wiederholst, zwingst du dein Gehirn, tagtäglich die gleichen Sequenzen, die gleichen Muster in den gleichen Kombinationen zu aktivieren. Und solange du dein Gehirn tagtäglich auf die gleiche Weise aktivierst, erzeugst du auch immer wieder die gleiche Geisteshaltung und verdrahtest dein Gehirn so fest, sodass du ihm eine sehr begrenzte Signatur verleihst.“ (Dr. Joe Dispenza, Arbeitsbuch zu Mind over Matter). In der Mindsetarbeit lernen wir, unser Gehirn auf neue Wege zu führen. Dazu ist nicht nur die Fähigkeit der Selbstreflexion notwendig, sondern auch die Übernahme von Selbstverantwortung. Wer sein Mindset ändern möchte, muss lernen, sich selbst durch herausfordernde Situationen zu führen. Alte Überzeugungen sind oft sehr hartnäckig und erfordern ebenso hartnäckige und geduldige Reaktionen.

Veränderung durch Mindsetarbeit

Ein weiteres Beispiel zeigt, wie dieser Vorgang abläuft.

Ein Mensch steht beim Bäcker an und wäre als nächster an der Reihe. Er hat die Idee, dass er für sein Recht kämpfen muss, als kleiner Mann, sonst wird er übervorteilt. Durch die Arbeit an seinem Mindset ist ihm diese Idee bewusst.

Die Fachverkäuferin bedient jemanden, der nach ihm den Laden betreten hat.

Heiß steigt Wut in ihm auf, doch er denkt sich: „Ach Hallo, da bist du ja wieder. Gehen wir da erneut gemeinsam durch“. Er betrachtet, welche Gedanken und Gefühle aufsteigen und nimmt sie wahr, wie ein neutraler Beobachter. Er hat gelernt, die Gefühle durch sich hindurch fließen zu lassen und ihnen nicht die Bedeutung zu geben, die sie früher hatten.

Stattdessen sucht er sich neue Ideen aus, die besser dazu passen, wer er sein möchte. Er atmet tief ein und aus und betrachtet die Fachverkäuferin ohne Zuschreibung. Er übernimmt selbst die Verantwortung für seine Erwartungen und überträgt sie nicht auf sein Gegenüber. Er könnte etwa denken: „Ich werde gerade nicht abgewertet oder bewertet. Ich kann mir vorstellen, dass die Verkäuferin im Stress ist und ihr Bestes gibt. Das kenne ich gut und kann das verstehen.“ Oder: „Ich betrachte mein Gegenüber mit Wohlwollen und unterstelle gute Absichten“.

Vermutlich wird er noch einige Male in ähnlichen Situationen an seinem Mindset arbeiten müssen. Sobald er aber eine neue „Gedankenautobahn“ trainiert hat, wird das alte immer mehr verblassen und dem neuen weichen.

Wichtig ist also, sich selbst liebevoll zu betrachten und geduldig mit sich zu sein. Ein Sixpack entsteht auch nicht beim ersten Training, sondern durch kontinuierliche Arbeit. Neue Gedanken und Ideen davon zu entwickeln, wer wir sind und sein wollen, ist ein wesentlicher Teil der Arbeit.

Zusammenfassung

Mindset ist die Geisteshaltung eines jeden Menschen, die durch Prägung, Erfahrung und Beobachtung entsteht und gefestigt wird.

Mindsetarbeit macht diese Geisteshaltung bewusst.

Sie reflektiert Ideen, Muster, Annahmen etc. und ersetzt sie.

Mittel dazu sind Bewusstsein entwickeln über die eigenen Muster und in der Folge die Muster hinterfragen und entscheiden, ob und wodurch sie ersetzt werden sollen.

Es folgt alltägliches Training in Gedanken – und Emotions-Hygiene, Selbstverantwortung und innere Anbindung.

Dadurch werden alte, eingeschliffene Denkmuster ausgeblendet und neue, förderliche installiert.

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