Gespräche mit anderen Menschen können uns bisweilen sehr herausfordern. Wie wäre es mit einem anderen Ansatz? Nicht „Mauern hoch“, sondern „go with the Flow“?

Heute hatte ich eine Begegnung, die mir gezeigt hat, wie weit ich schon gekommen bin. Eines meiner erklärten Ziele ist es, Menschen nicht zu be- oder verurteilen. Das ist einfach nicht mein „Job“. Und zwar weder im Privatleben noch im beruflichen Kontext.

Natürlich gibt es Haltungen oder Verhaltensweisen, die ich aus moralischen Gründen verurteile. Wie ich damit umgehe, ist Thema für einen eigenen Artikel.

Hier gemeint sind nicht die Extreme, sondern Begebenheiten im Alltag.

Ich einen Bekannten getroffen, den ich lange nicht gesehen habe.  Anfangs plätscherte das Gespräch so vor sich hin. Wir unterhielten uns über verschiedene Themen und brachten einander auf den neuesten Stand. Irgendwann kamen wir dann auf sein Lieblingsthema zu sprechen und er redete sich in Rage. Es gibt Menschen, die haben ein Thema, das sie ganz erfüllt; grundsätzlich ist diese Hingabe für mich eine positive Eigenschaft. Wer mich kennt, weiß ja, dass ich immer nach schätzenswerten Eigenschaften an anderen Menschen Ausschau halte, weil ich davon überzeugt bin, dass wir einander viel mehr von unseren Schokoladen-Seiten betrachten sollten. Schwierig wird es mit der Hingabe an ein Thema für mich dann, wenn diese Menschen das Ziel haben, jeden anderen von ihrer (einzig wahren) Meinung zu überzeugen.

Ich diskutiere nicht gerne. Ich mag dieses Kräftemessen nicht, wenn es nicht mehr um Austausch geht, sondern nur noch darum, wer das schlagkräftigste Argument hat und damit den anderen mundtot machen kann – sozusagen mit dem Mundtotschlagargument.

Ich kann konträre Meinungen gut aushalten und akzeptieren, solange es sich um Austausch handelt. Dann sind Gespräche oft bereichernd, weil sie den eigenen Blick weiten und neue Denkansätze anbieten. Neugierde und Offenheit anderen Menschen gegenüber halte ich für sehr hilfreiche Ansätze.

Aber Gespräche müssen ein Austausch sein und nicht ein in mich dringen, mit dem Ziel, dass ich doch endlich verstehen möge, dass nur die Meinung des Gegenüber die Wahre ist.

Das war übrigens einer der Gründe, mich als systemische Beraterin und Therapeutin weiterzubilden. Der alte Ansatz von Beratung, dass der Sozialarbeiter den Weg weist und der Klient dem folgt, war mir immer zu einseitig.

Zurück zum heutigen Gespräch.

Zugegebenermaßen habe ich selten so extrem herausfordernde Gespräche, weil ich mich gerne entziehe. Meist war ich nach ähnlichen Gesprächen außer mir, nicht mehr fokussiert und habe die Art und Weise des Gegenübers als übergriffig empfunden.

Auch dieses Mal würde ich meinen Gesprächspartner als unhöflich bezeichnen. Was sich verändert hat, ist meine Haltung dazu. Ich konnte bei mir bleiben und ihm seines lassen. Ich habe die gesamte Situation eher mit Neugierde betrachtet und war die ganze Zeit sehr fokussiert auf mich und wie ich von bestimmten Aussagen getriggert werde. Diese Trigger habe ich dann sozusagen auf neutral gestellt und einfach durchfließen lassen. Das war so ein gutes Gefühl! Ich war sehr stolz auf mich; schließlich habe ich Jahre daran gearbeitet, so weit zu kommen. Mir hat die Vorstellung in meinem „Training“ sehr geholfen, unerwünschte Gedanken wie Wolken einfach vorbeiziehen zu lassen oder sogar weiter zu pusten.

Ich habe unser Gespräch trotzdem nicht genossen und war froh, als es vorbei war – wie gesagt, es war kein Austausch.

Eine wichtige Erkenntnis für mich war, dass ich mich nicht schützen muss, sondern einfach bei mir bleiben kann. Die Idee, sich schützen zu müssen, habe ich für mich als alte und unzutreffende Geschichte abgelegt.

Ab dem Moment, an dem ich begonnen habe, durchlässig zu werden und nicht dagegenhalten zu wollen, war der Druck weg. Wir gehen häufig davon aus, uns schützen zu müssen. Damit laden wir eine Situation mit Erwartungen auf und spannen uns an. Diese Anspannung gepaart mit der negativen Erwartung führt dann unweigerlich dazu, dass wir uns angestrengt fühlen.

Entgegen der inneren Logik können wir lernen, alle Erwartungen fallen zu lassen und ganz in unserer Energie zu bleiben. Wie genau?

 

    • Indem wir lernen, unsere Erwartungen zu reflektieren.

    • Indem wir unsere Annahmen über uns selbst reflektieren

    • Indem wir uns und unser Gegenüber wertfrei annehmen

    • Indem wir lernen, uns zu erden und in unserem Zentrum zu bleiben

    • Indem wir lernen, unsere Emotionen wahrzunehmen und unsere Grenzen zu wahren.

Kurz, indem wir unseren Fokus wegnehmen von Verteidigung und richten auf Neugierde und Akzeptanz.

Hilfreiche Gedanken dazu:

 

    • Stelle dir vor, dass du durchlässig bist und was auch immer du als Angriff oder Negativität erlebst, einfach ohne Auswirkungen um dich herum fließt.

    • Übe, dich zu fokussieren. Dann kannst du in Stresssituationen darauf zurückgreifen und dich erinnern, dass keine Gefahr droht.

    • Das altbekannte „ich bin okay, du bist okay“. Wir sind beide gut so, wie wir sind. Keiner muss den anderen ändern.

    • Du darfst Grenzen setzen. Wenn es dir zu viel wird (vor allem, wenn du diesen neuen Ansatz erst noch übst und immer wieder aus der Haltung „plumpst“), dann darfst du das sagen. Je nach Situation bitte um eine Pause, gehe auf die Toilette um durchzuatmen, gehe eine Runde spazieren …

    • Atme! Tief durchatmen hilft ungemein, Anspannung zu lösen.

    • Zähle oder wiederhole einen Reim, Songtext, Gedicht … wenn du gerade nicht aus der Situation kommst und es dir zu viel wird.

Ich bin neugierig, wie du mit herausfordernden Gesprächen umgehst. Magst du es mir verraten?

Alles Liebe!

Ulrike

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